Achtsamkeit im Lehrerberuf
Was ist Achtsamkeit?
Achtsamkeit ist en vogue. Und das zurecht. Die noch heute bei vielen Menschen als Esoterik belächelte Achtsamkeitspraxis, zu der konzentrationsfördernde Übungen, Meditation, Wahrnehmungsübungen sowie Übungen zur Förderung von Aufmerksamkeit, Mitgefühl und Gelassenheit gehören, sind heute in ihrer Wirksamkeit nicht nur durch tausendfache Erfahrungsberichte belegt sondern auch in groß angelegten Metastudien in ihrem Erfolg bestätigt. Es soll nicht verschwiegen werden, dass diesen Messungen im Detail auch Schwächen nachgewiesen werden können und dass Achtsamkeit kein Allheilmittel darstellt und die Wirkung sich von Person zu Person unterscheidet. Aber welche Heilmethode, welches Medikament kann schon von sich behaupten, jedes Problem für jeden Menschen zu lösen?
Insgesamt lassen sich bei Menschen, die Methoden der Achtsamkeitspraxis über mehrere Monate hinweg verfolgen, beispielsweise einen mbsr (mindfulness-based-stress-reduction)-Kurs absolvierten und die dort erlernten Übungen konsequent beibehielten, folgende Veränderungen im Alltag feststellen:
- Die Fähigkeit, sich auch längere Zeiträume auf eine einzelne Sache oder einen Prozess zu konzentrieren, wird gestärkt.
- Mehr Gelassenheit und Ruhe führen zu weniger Stress. Das entlastet den Körper und senkt das Risiko körperlicher Leiden.
- Auch die Gefahr psychischer Erkrankungen nimmt dank wachsendem Wohlbefinden ab.
- Das Bewusstsein über die eigenen Gefühle steigt, eigene Glaubenssätze treten ins Bewusstsein, die innere Haltung bezüglich wichtiger Lebensfragen wird transparent.
Unser Schulalltag kann von Achtsamkeitsübungen, die diese Effekte bewirken, nur profitieren, nicht wahr?
Was kann das für LehrerInnen leisten?
Wir sind als LehrerInnen einer Vielzahl von Stressoren ausgesetzt. Dennoch gilt: Stress macht man sich letztlich selbst. Eltern können uns kritisieren, die Schulleitung kann eine Forderung an uns stellen, der wir uns nicht gewachsen fühlen, und SchülerInnen können im Unterricht die verspätete Korrektur der Klassenarbeit monieren. Ob dich das stresst, liegt an dir. Es gibt eine Lücke zwischen dem von außen an dich herangetragenen Reiz und der in direntstehenden Reaktion. Wer als Lehrer vor seiner Klasse Haltung wahrt, die eigenen Gedanken und Gefühle in Ruhe reflektiert und seine Reaktion im Seinsmodus der Gelassenheit kontrolliert, dem bringen nicht nur die Kinder Achtung entgegen. Irrationale Ausbrüche, unüberlegte und ungebändigte Kommentare erzeugen gegenteilige Effekte. Wir wirken unsicher, unstet, unseriös. Statt Respekt ernten wir eine Vorwurfshaltung oder gar Mitleid.
Stelle dir vor, du läufst durch den Gang zu deinem Unterricht und erwischst eine Schülerin dabei, wie sie halblaut deinen ungeliebten Spitznamen nuschelt. Fühle hier und jetzt in dich hinein und benenne für dich klar deine Gefühle. Mache dir klar, dass diese Gefühle in dir entstehen. Entscheide selbst, was dich ärgern darf und was nicht. Dann reagiere in Ruhe. Wie diese Reaktion aussieht, liegt bei dir. Aber triff sie überlegt und mit einer bewusst eingenommenen Haltung, die zu deiner Rolle und deinen Werten passt.
Was tut Best Practice?
BP bietet ein Treffen engagierter LehrerInnen, auf welchem wir voneinander lernen können. Leider herrscht im LehrerInnentum ein weit verbreiteter Konsens, jeden sein Ding machen zu lassen. Einblicke in die Arbeit der anderen ist an den allermeisten Schulen ein Tabu. Dabei könnten wir viel voneinander lernen.
Wie trainiere ich Achtsamkeit?
Wer wirklich gut in etwas werden möchte, muss – nahezu unabhängig von der Frage, worin er sich schulen möchte – folgendes tun:
- Häufig und intelligent trainieren.
- Sich ein förderliches Mind-Set zulegen.
- Den engen Kontakt mit Menschen suchen, die in der gefragten Disziplin entweder bereits spitze sind oder es wie du werden möchten.
Meditiere regelmäßig und nutze zu Beginn Apps wie 7mind oder headspace. Dort werden zahlreiche Meditationen und Wahrnehmungsübungen zu verschiedenen Themen angeboten. Auch mbsr-Kurse sind dort zu finden. Einige davon sind explizit für LehrerInnen ausgewiesen. Darüber hinaus arbeiten wir in unseren Braintrusts bei bestpractice stets an unserem Umgang mit unserem Innenleben. Denn nur wer anders ist, seine Gefühle klar erkennt und dadurch eine frei gewählte Rolle in der Klasse einnehmen kann, handelt auch anders. Um sich wünschenswerte Eigenschaften wie Achtsamkeit, Aufmerksamkeit und Verständnis anzueignen, muss das trainieren. Die Reise beginnt mit dem Entschluss, erstreckt sich über Gewöhnung durch Einübung und endet mit der besten Version deiner selbst.
Achtsamkeit als fächerübergreifendes Lernziel
Meditationen lassen sich selbst dann in den Unterricht einbauen, wenn man nicht als Meditationslehrer ausgebildet ist. Ein paar Monate eigener Meditationspraxis genügen dazu völlig aus, geringer darf die Qualifikation dann aber auch nicht ausfallen. Ich starte den morgendlichen Schulalltag mit allen Kursen, die das möchten, mit einer Achtsamkeitsmeditation. Das dauert zwischen zwei und fünf Minuten und kann viel bewirken. Viele SchülerInnen leiden und Schul- und Prüfungsangst, sozialen Phobien oder doch wenigstens unter den fehlenden Fähigkeiten, mit dem eigenen Innenleben und den – je nach Alter – komplexen Gefühlsverschränkungen und Beziehungen umzugehen. Achtsame Meditationsübungen bieten Methoden für SchülerInnen an, in Klassenarbeiten Ruhe und Konzentration, das heißt, die Kontrolle über die eigenen Gedanken zu bewahren, bei schlechten Leistung Selbstliebe und Gelassenheit zu wahren. Wäre diese Achtsamkeitspraxis nicht ein lohnendes Lernziel?