Guter Unterricht ist eine Frage der Lehrerpersönlichkeit

Du bist das Zentrum deines Unterrichts

In den 1970er Jahren trat in der Bildungs- und Unterrichtsforschung eine empirische Wende ein. Bis dahin glaubte man, dass Schülerinnen und Schüler lernen, wenn die Lehrkraft im Unterricht etwas tut. Diese Vorstellung von Lehrerinnen und Lehrern, die losgelöst von ihren individuellen Eigenschaften bestimmte didaktische Muster praktizieren und gewissermaßen als pädagogische Automaten auftreten sollten, führte zu rezeptartigen Handlungsanweisungen, die auch heute noch im Umlauf sind. Dabei können fest formalisierte Handlungsmuster im Unterricht nicht nachhaltig erfolgreich praktiziert werden. Ein Rezept funktioniert nur, wenn die Arbeitsvoraussetzungen replizierbar sind. In der Küche ist das möglich, im Klassenraum kaum.

In den letzten 30 Jahren trat dann ein kontinuierlicher Lernprozess in der Unterrichtsentwicklung ein und neben der Lehrkraft wurden auch die Schülerinnen und Schüler stärker in den Fokus genommen. Aus der Frage „Was sollen LehrerInnen tun?“ wurde die Frage „Wie lernen Kinder und Jugendliche?“ In großangelegten Videostudien konnte man das Verhalten der Lehrkraft und das Verhalten der Schülerinnen und Schüler genauer analysieren. Während früher die Methoden der Lehrkraft im Mittelpunkt standen, schauen wir heute stärker auf die Wirkung bei den Schülerinnen und Schülern. Das heißt, wir beobachten alle Prozesse im Unterricht, nicht nur das, was die Lehrkraft tut.

Guter Unterricht aber für wen? Oder : „Der Maßstab ist das Problem“

Dadurch haben wir ein sehr komplexes Verständnis von den Einflüssen, die einen gut strukturierten Unterricht kennzeichnen Wir schauen nicht nur auf die Angebote und Aufgaben der Lehrperson und auf die Gestaltungsmerkmale des Unterrichts, sondern auch auf die Voraussetzungen, die die Schülerinnen und Schüler mitbringen und auf die Rahmenbedingungen in der Schule.

Der Begriff der „Lernwirksamkeit“ spiegelt dabei am besten wider, was man heute unter gutem Unterricht versteht. Es geht neben kognitiven Aspekten des Lernens auch um motivationale, emotionale und soziale Gesichtspunkte. Dabei ist die Bewegung weg vom Lehrkörper hin zum Lernenden nur eine scheinbare. Motivation, Emotionen und Sozialgefüge des Klassenraums kommen nicht an uns vorbei. Wir zeichnen verantwortlich für die Faktoren, die guten Unterricht bestimmen.

Unangefochtene Kernfrage des Bildungssystems ist die Frage, wodurch sich guter Unterricht auszeichnet. Im folgenden Blogeintrag wird diese Frage, wie guter Unterricht funktioniert, weiter diskutiert.

Die Merkmale guten Unterrichts anhand der bestehenden Literatur

Jeder Pädagoge will guten Unterricht halten, jeder Schüler ihn erhalten. Eltern wünschen ihn sich für ihre Kinder und alle anderen Mitglieder der Gesellschaft möchten mit gebildeten Menschen zusammenleben. Soweit der Konsens. Dissens besteht hingegen in den Kriterien guten Unterrichts. Wenigstens in der akademischen Gemeinschaft, wenn auch nicht am Stammtisch, gibt es zwei weitgehend anerkannte Maßstäbe:

a. Hilbert Meyer (Hilbert Meyer: Was ist guter Unterricht? Berlin (Cornelsen) 2004)

Meyer beschreibt in seinem Standardwerk zehn Merkmale guten Unterrichts zur Beförderung von Lernfortschritten. Diese dienen als Indikatoren für Qualität.

  • Klare Struktur im Unterrichtsverlauf
  • Hoher Anteil echter Lernzeit
  • Der Lernprogression zuträgliches Klima
  • Klarheit in der Sache
  • Sinnstiftendes Kommunizieren
  • Methodenvielfalt
  • Individuelle Förderung
  • Intelligentes Üben
  • Transparent kommunizierte Leistungserwartungen
  • Vorbereitete Lernumgebung

b. John Hattie (John Hattie: Lernen sichtbar machen (Schneider Verlag Hohengehren) 2018.

Hattie hat in seiner Metastudie von 2009 etwa 800 Metanalysen zur Evaluation guten Unterrichts ausgewertet und damit eine Hitliste an Faktoren erstellt, die bestmögliche Ergebnisse in allen Unterrichtsphasen begünstigen. Hier eine Auswahl aus den Top 20:

  • Formative Evaluation des Unterrichts
  • Beeinflussung von Verhalten in der Klasse
  • Klarheit der Lehrperson
  • Feedback
  • Lehrer-Schüler Beziehung
  • Lehrerfortbildungen

Was tut Best Practice?

BP bietet ein Treffen engagierter LehrerInnen, auf welchem wir voneinander lernen können. Leider herrscht im LehrerInnentum ein weit verbreiteter Konsens, jeden sein Ding machen zu lassen. Einblicke in die Arbeit der anderen ist an den allermeisten Schulen ein Tabu. Dabei könnten wir viel voneinander lernen.

Nun ist es nicht so, dass diese Kriterien gänzlich ohne wechselseitige Beziehungen sind und isoliert nebeneinanderstehen können. Vielmehr sind sie über einen gemeinsamen Mutterboden miteinander verbunden, aus welchem sich all die oben genannten und viele weiter nicht genannten Faktoren ergeben: Die Persönlichkeit der Lehrperson bestimmt wesentliche Aspekte der Unterrichtsqualität und ist maximal möglicher Lernwirksamkeit zuträglich. Bleiben wir einen Moment bei dem Bild des Mutterbodens. Ist dieser gesund und gepflegt, bereitet die Pflege der darauf gedeihenden Pflanzen wenig Kummer. Vieles wächst auch ohne mühsame Einflussnahme ganz von allein. Fehlt es ihm hingegen an Nährstoffen, so ist immens viel Engagement von Nöten, um denselben Garten entstehen zu lassen.

Sofern das Vorhaben nicht ohnehin zum Scheitern verurteilt ist. LehrerInnen, die Unterrichtsstunden mit einer für alle nachvollziehbaren Struktur unterlegen, die effektive, zielgerichtete Klassenführung leisten und damit ein lernförderliches Umfeld generieren, verhalten sich anders zu den Herausforderungen des Berufs, als es durchschnittliche Lehrkräfte tun.

Was machen gute LehrerInnen anders?

Gute LehrerInnen verhalten sich anders zu den Lernenden, zum System Schule, in Elterngesprächen. Und das tun sie, weil sie anders sind. Ihre Glaubenssätze und didaktischen Maximen unterscheiden sich von denen des Durchschnittslehrers, führen damit zu anderen Handlungen und in Folge zu besseren Ergebnissen.

Erlaubt mir, diesen Gedanken an einem Elterngespräch zu verdeutlichen: Fragt mich, in meiner Rolle als Lehrkraft, eine Mutter am Elternsprechtag nach der Gewichtung der Teilnoten für die Zeugnisnote, so hängt meine Reaktion vor allem von einem ab: von mir. Bin ich der Überzeugung, dass Eltern die größte Last meiner Berufung darstellen? Dann interpretiere ich die Nachfrage als einen Angriff und erwehre mich. Sehe ich Eltern als ihren Nachwuchs umsorgende Kooperationspartner, freue ich mich über ihr Interesse und leiste meinen Anteil zur konstruktiven Zusammenarbeit. Ich verhalte mich anders, weil ich anders bin. Ganz ohne das erzwungene Anwenden eines Handlungsmodells aus einem Praxisbuch, nur aus meiner Persönlichkeit heraus.

Wie kann bestpratice guten Unterricht fördern?

Guter Unterricht hängt an der Persönlichkeit der Lehrperson, denn sie bestimmt sein pädagogisches Verhalten, seine Haltung zu Regeln, zu Arbeitsformen, zu Schülerfeedback und zu Störungen im Unterricht. Sie entscheidet maßgeblich über den Grad, in welchem Lernerfolge erzielt werden können. Und an seiner Persönlichkeit kann man arbeiten. Experten aus allen Gebieten sind sich einig darüber, dass unabhängig von der Disziplin der größte Kompetenzzuwachs entsteht, wenn regelmäßiges Training mit durchdachten Methoden in einem konstruktiven Umfeld durchgeführt wird. Und das ist bestpractice.

Der Raum für LehrerInnen, die mit Kreisklasse nicht zufrieden sind.

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